In der Oktober-Ausgabe (2015) des Fachmagazins „Kriminalistik“ erschien ein Artikel von Prof. Dr. Feltes und dem Co-Autoren Christian Ullrich zum „Intensiv(gewalt)täter-Konzept“. Dieses Konzept ist nur in einer Kurzfassung in der Öffentlichkeit bekannt geworden, es soll aber nach dem Willen des NRW-Landesinnenministeriums wie der Innenministerkonferenz innerhalb der polizeilichen „Gewaltprävention“ eine durchaus bedeutende Rolle dabei spielen, die besonders auffälligen Fans „unter Kontrolle“ zu bringen. Um diesem Anspruch nachzukommen, sind mit dieser Aufgabe denn auch nicht mehr die Szenekundigen Beamten der Landespolizei betraut, sondern sie wird von Beamten der Kripo erledigt. Prof. Feltes hat zu diesem Konzept einige fachliche und rechtliche Problematiken in seinem Artikel dargelegt, die im Folgenden kurz nachgezeichnet werden. Der ganze Artikel findet sich leider nur in dem erwähnten Magazin, online ist er nicht verfügbar.
Prof. Dr. Thomas Feltes (Foto: T. Feltes)
Zur Einführung: Das Konzept „Intensivkonzept Sport“ gilt in NRW seit etwa Februar 2015 und soll nach Absicht des NRW-Innenministeriums vor allem für diejenigen Fans gelten, denen eine besonders bedeutende Rolle im Zusammenhang mit Gewalttaten im Fußballkontext zugeschrieben werden kann. Basis solcher Erkenntnisse wäre vor allem die ZIS-Datei („Gewalttäter Sport“) sowie solche der Szenekundigen Beamten vor Ort. Da mitunter nicht jedes Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung führt (was wie viel öfter vorkommt als gemeinhin gedacht), können auch solche Fans zu Intensivtätern erklärt werden, denen schon öfter etwas vorgeworfen wurde und sie so zumindest als „potentielle“ Gewalttäter geführt werden können, aber auch nicht müssen.
Hier setzt die erste Kritik an, denn die Einstufung als Gewalttäter – und damit auch die als Intensivtäter – erfolgt laut Feltes auf einer eher unscharfen Auslegung dieses Begriffes. Dies scheint schon innerhalb der 16 Polizeibehörden, die in NRW das Intensivtäter-Konzept begleiten, in der Praxis schwierig zu sein. Dies belegt Feltes u.a. auch mit dem Hinweis darauf, dass das Konzept nur etwa 150 Gewalttäter betreffen soll, aber laut ZIS 1283 Fans der „Kategorie C“ (die Einstufung als „gewaltsuchend“) in NRW gelistet sind, also etwa 9mal so viel.
Da für die Einstufung als Intensivtäter zudem auch nicht zwingend gerichtliche Verurteilungen in der Vita des Betroffenen dokumentiert sein müssen, bleibt eine rechtliche Grauzone. Diese gehe, so Feltes weiter, vor allem zu Lasten der Betroffenen, denn diese können sich weder gegen die Einordnung wehren noch darauf hoffen, dass bei ihnen die Unschuldsvermutung uneingeschränkt gilt. Feltes kritisiert hier vor allem auch, dass durch die Verlagerung der Zuständigkeit der Gerichte an den Wohnort des Betroffenen das „Tatortprinzip“, nach dem die Verhandlung einer Tat immer an jenem Ort stattfinden muss, an dem die Tat begangen worden ist, ausgehebelt wird. Ausnahmen sind hier sehr enge gesetzliche Grenzen gesetzt. Mal abgesehen davon, dass es einer weiteren Konzentration von Verfahren an wenigen Gerichten Vorschub leistet, was einer zügigen Abarbeitung von Delikten im Wege stehen dürfte.
Zu guter Letzt bezweifeln die beiden Autoren auch den Erfolg, den das Innenministerium mit dem Intensivtäterkonzept zu erreichen hofft, nämlich die Verringerung von gewalthaltigen Straftaten im Fußballzusammenhang. Obgleich schon die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer solchen Straftat zu werden, deutlich niedriger liegt als beim hier immer wieder gern zitierten Oktoberfest oder auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr, ist mit einer Abnahme von strafrechtlich relevantem Verhalten nicht zu rechnen. Feltes glaubt im Gegenteil, dass die Stigmatisierung gerade bei jüngeren Fans eher dazu führt, dass sich bestimmte Verhaltensmuster verfestigen und in Form einer Selffulfilling-Prophecy sich auffälliges Verhalten eher verstetigt als verflüchtigt. Feltes verweist hier auf verschiedene Studien und kommt im Ergebnis seiner Bewertung dazu, dem Intensivtäterkonzept seine Nützlich- und Notwendigkeit abzusprechen. Das dieses Urteil nicht ganz überraschend kommt, dürfte kaum verwundern, ist Prof. Feltes doch einer der wenigen, die beharrlich die Polizeiarbeit kritisch in den Blick nehmen.