Die nächste Stufe in der Debatte um Fangewalt ist gezündet. Seit die ZIS kürzlich ihren Jahresbericht gezündet, pardon… veröffentlicht hat, scheinen sich die Ereignisse noch mal zu überschlagen. Das Timing hätte besser nicht sein können, denn viele Fanszenen haben fast zeitgleich mit der ZIS-Veröffentlichung die DFB-Pokalspiele genutzt, um medienwirksam mit Pyro grelle Punkte zu setzen. Der Frust bei den Ultraszenen ist groß, seit die Gespräche um den Legalisierungsvorstoß beim DFB gescheitert sind, zumindest vorerst. Die Bilder, vor allem die von der Liveübertragung BVB – Dynamo lieferten all denen Argumentationsfutter, die Ultras und erst recht Pyro schon immer doof und gefährlich gefunden haben. Die Polizei weiß sich nun einer breiten öffentlichen Unterstützung gewiss, um gegen diese Chaoten, Gewalttäter, Hooligans und wie sie sonst noch oft und gern bezeichnet werden, energisch vorzugehen. Die Diskussion um die Legalisierung von Pyrotechnik dürfte für´s erste kaum mehr Gehör finden. Und selbst die Legitimation der Ultraskultur scheint ins Wanken zu geraten. Hier ist sicherlich eine bundesweite Auseinandersetzung darüber innerhalb der Ultraszenen dringend vonnöten, damit ihre ehemals bunte Unterstützungskultur auch weiterhin eine Zukunft in den Kurven hat. Ohne die Sympathie der Vereine und zumindest dem Wohlwollen der großen Stadionmassen ist die Ultraskultur auf Dauer nicht vorstell- und wohl auch nicht durchführbar.
Auf der anderen Seite: ist ein rigideres Eingreifen, ein repressives Durchgreifen der Polizei wirklich das, was hilft? Ist es nicht so, dass sich die Argumentationsspirale schon seit längerer Zeit in die falsche Richtung dreht, nämlich in gegenseitigen Schuldzuweisungen, vor allem aber in der Generalisierung von Einzelfällen, wo, keine Frage, jeder Einzelfall für sich schon einer zu viel ist? Daß jüngst eine Mitarbeiterin des FP Babelsberg beim Versuch, einen Konflikt zu beruhigen, von der Polizei verletzt wurde, dass der offensichtlich bei Polizeieinsätzen zum Usus gewordene Einsatz von Pfefferspray nicht nur unbeteiligte Fans, sondern auch die eigenen Polizeikollegen verletzt, lässt die Statistik der ZIS in einem zweiten Licht erscheinen. 1572 Körperverletzungsdelikte gab es in der 1. und 2.Liga letzte Saison zu beklagen, bei 750 Spielen sind das ziemlich genau 2 je Spiel. Wenn man weiß, dass ein Großteil dieser Verletzten vor allem bei Derbys zu beklagen ist, kann man sich leicht ausrechnen, bei wieviel Spielen überhaupt solche Delikte auftreten. Eine repressive Einsatzphilosophie verstärkt nur die Solidarisierungseffekte, weit über die Ultraskultur hinaus. Wer an fast jedem Wochenende auf Auswärtsfahrten von schwer behelmten Einsatztruppen in Kampfmontur begrüßt wird, wird ausgerechnet diesen Truppen sicherlich nicht seine Sympathie zukommen lassen wollen. Wer sich noch an die Sicherheitsszenarien rund um die Sonderzugfahrten nach Schalke erinnern kann,, der weiß, dass noch mehr Polizei in noch engeren mobilen Polizeikesseln keinen Ansatz für Deeskalation darstellen.
Solange Statistiken über Straftaten von Fans als Argumentationshilfe für den Abbau von Polizeiüberstunden und den Ausbau des eh schon großen Polizeiapparates rund um den Fußball dienen, bleibt eine sachliche Analyse der derzeitigen Argumentationssackgasse auf der Strecke. Zu einer Spirale gehören immer (mindestens) zwei Parteien, doch es dürfte langsam egal sein, wer seinerzeit die Negativspirale ins Drehen gebracht hat. Entscheidend ist eher, wer nun anfängt und bereit ist, die Spirale zu stoppen. Nach den Wortmeldungen in den letzten Tagen ist klar: Die Medien und einige Verbandsvertreter wollen das offensichtlich nicht sein. Um im Blätterwald der Medien und dem Dschungel der Wortmeldungen nicht unterzugehen, haben sich inzwischen verschiedene Vertreter von Faninteressen zu Wort gemeldet. Beachtet daher auch die folgende Presseerklärung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) und jene unter diesen Links
PM der Fanbeauftragten
PM AG Fananwälte
PM ProFans
PM IG Unsere Kurve