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Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Aurich

Am 08.06.2011 musste unser Kollege Matthias Stein, Leiter des Fanprojektes Jena und einer der beiden Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG), wegen eines Sachverhaltes vom 21.02.2009 (!) der Vorladung zu einer richterlichen Zeugenvernehmung am Amtsgericht Apolda nachkommen. Gegenstand war keinesfalls ein Sachverhalt, zu welchem unser Kollege aufgrund persönlicher Wahrnehmung hätte Aussagen treffen können, vielmehr sollte der Kollege Stein Personen aus der Zielgruppe der von ihm geleiteten Jugendhilfe-Einrichtung anhand vorgelegter Lichtbilder identifizieren. Dieses Ansinnen hatte der Kollege Stein bereits in der polizeilichen Vernehmung vom 08.03.2011 zurückgewiesen. Er beruft sich dabei auf den Geheimnisschutz gemäß § 203 StGB, den besonderen Vertrauensschutz gemäß § 65 SGB VIII / Kinder- und Jugendhilfegesetz sowie die Verankerung der Respektierung des Vertrauensschutzes im „Nationalen Konzept Sport und
Sicherheit“.

Im Übrigen hat Herr Stein mehrfach betont, den Sachverhalt, welcher Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist, nicht selbst gesehen zu haben, und somit kein Zeuge im Sinne der StPO zu sein. Das Erzwingen einer Identifizierung von Personen aus der Zielgruppe des Fanprojektes würde die für die Arbeit mit einer schwierigen Klientel erforderliche Vertrauensbasis zerstören und dem Projekt somit die Arbeitsgrundlage entziehen. Dies hätte nicht nur schwerwiegende Folgen für das Fanprojekt in Jena, sondern würde die Basis sämtlicher Fanprojekte in der Bundesrepublik in Frage stellen!

Erfreulicherweise hat der Richter am Amtsgericht Apolda, Herr Behlau, nach einem Vorgespräch mit unserem Kollegen und dessen Zeugenbeistand, Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, von einer Zeugenvernehmung abgesehen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) hofft und fordert, dass die Angelegenheit sich damit für unseren Kollegen Matthias Stein nun endgültig erledigt hat! Nicht ohne Grund heißt es im „Nationalen Konzept Sport und Sicherheit“: „Ein von Vertrauen getragenes Verhältnis zwischen den relevanten Fußballanhängern […] und Fanprojekten ist Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Arbeit. Behörden müssen deshalb gegenüber Mitarbeitern der Fanprojekte dem Grundsatz des Vertrauensschutzes im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Rechnung tragen. Die Ziele der Fanprojektarbeit können nur erreicht werden, wenn der Wert von Fanprojekten von allen anderen Beteiligten wie z.B. Vereinen, Polizei und kommunalen Behörden anerkannt wird.“ Dies fordert die BAG der Fanprojekte für die KollegInnen in allen 50 deutschen sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekten mit Nachdruck ein.

Dennoch bleiben schon jetzt einige Fragen offen, die dringend einer Beantwortung bedürfen:

·  Warum besteht die Staatsanwaltschaft Aurich auf einer Zeugenaussage des Kollegen Stein, obwohl dieser bereits mit Zeugen-Anhörungsbogen vom 23.08.2010 sowie im Schreiben vom 13.09.2010 an die Staatsanwaltschaft dargelegt hatte, den Sachverhalt nicht gesehen zu haben und somit kein Zeuge zu sein?

·  Warum wurde, obwohl der Kollege bereits im Schreiben vom 13.09.2010 auf dessen Anwesenheit am Ort des Geschehens hingewiesen hatte, der (damalige) Szenekundige Beamte (SKB) der PI Jena, Herr POK Björn Pauli, bis zum heutigen Tage weder zeugenschaftlich vernommen, noch diesem die fraglichen Lichtbilder zwecks Identifizierung abgebildeter Personen vorgelegt?

·  Warum enthält der im Bereich der PI Jena mit der Sachbearbeitung des Vorgangs betraute SKB, PHM Jan Reinheimer, der Staatsanwaltschaft sein Wissen über die Identität der zu identifizierenden Personen vor und benennt stattdessen den Kollegen Stein als Zeugen, welcher die Personen identifizieren könne, obwohl dem SKB die Personen aus der Lichtbildvorlage 100%ig bekannt sind?

·  Welche Intentionen verfolgen die Staatsanwaltschaft Aurich sowie die PI Jena und insbesondere der SKB PHM Reinheimer, wenn diese eine Identifizierung von Personen durch den Leiter des Fanprojektes erzwingen wollen, obwohl eine Identifizierung durch Polizeibeamte der PI Jena problemlos möglich ist?

·  Wie stellt sich die PI Jena künftig eine von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägte Kooperation zwischen SKB und Fanprojekt vor?

Die Fansozialarbeit ist im Spannungsfeld Fußball stets bemüht, durch ein konstruktives Zusammenwirken aller beteiligten Institutionen eine positive Entwicklung der Fankultur zu forcieren. Hierbei ist das verlässliche Zusammenspiel aller Beteiligten zwingend notwendig. Durch das wie in dem vorliegenden Fall offensichtlich unnötige Hineinziehen pädagogischer Mitarbeiter in polizeiliche Aufklärungsarbeit wird uns die Grundlage unserer erfolgreichen Sozialarbeit entzogen – nämlich die auf Vertrauen basierenden langfristige Beziehungsarbeit zu/mit Fußballfans. Dies hätte bei bundesweiter Nachahmung verheerende Folgen für die präventive Jugendsozialarbeit aller 50 Fanprojekte.

Die Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte stehen gerne und jederzeit für einen offenen Dialog und Austausch zur Klärung der aufgeworfenen Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Thomas Beckmann
BAG Sprecher

Verteiler:
Staatsanwaltschaft Aurich
Polizeiinspektion Jena
Presseverteiler
Koordinationsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend
Beirat der Koordinationsstelle Fanprojekte
Deutscher Fußball-Bund
Deutsche Fußball Liga GmbH

2017-03-24T09:48:42+00:00