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Was ist der Unterschied zwischen Fanats und Kuzmichi und was haben Hunde mit der Elektrichki zu tun?

Auf diese und noch viel mehr Fragen gab es am vergangenen Mittwochabend Antworten im Fan-Projekt, denn dort stand eine Präsentation über den russischen Fußball und vor allem auch über dessen fanrelevante Aspekte auf dem Programm. Mit Nikita Stepanov stand den zahlreichen Interessierten jemand zur Verfügung, der aus erster Hand die Antworten geben konnte. Nikita Stepanov stammt aus St. Petersburg und studiert dort Europäische Gesellschaft. Im Zuge dieses Studiums macht er derzeit ein Gastsemester an der Uni Bielefeld und parallel ein Praktikum im Fan-Projekt Bielefeld.

Aus deutscher Sicht hängt das Besondere am russischen Fußball sicher zuerst mit der Größe des Landes und daher mit den zu bewältigenden Entfernungen zusammen. Die 1. russische Liga kann, bei entsprechender Konstellation, nämlich mit der weitesten Auswärtsfahrt der Welt aufwarten. Da kann eine Auswärtsfahrt von St. Petersburg nach Wladiwostok  schon mal annähernd 10.000 Km ausmachen! Derzeit spielt Wladiwostok aber nicht in der 1. Liga und daher beträgt die weiteste Auswärtsfahrt in Russland „nur“ 2.600 Km. Derlei Entfernungen machen es für die Clubs notwendig, gelegentlich 2 – 3 Auswärtsspiele nacheinander zu machen. Fantechnisch trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Wer was auf sich hält, zieht hier mit, frisst Kilometer  und macht ein Double oder Triple. Und etwas auf sich halten tun hier eher die „Fanats“, vergleichbar mit hiesigen Ultras, während die Kuzmichi eher normalen Heimspielbesuchern gleichen.

Aus finanziellen Gründen wird als Reisemittel der Zug bevorzugt, was aber auch bedeutet, dass eine Auswärtsfahrt nach Wladiwostok fast eine Woche dauert. Pro Weg wohlgemerkt! Den russischen Fan unterscheidet nicht von dem deutschen, dass er erpicht ist, die Reisekosten gering zu halten. Dies führte in den 90ern auch dazu, dass die ein oder andere Nacht im Gepäckfach in Kauf genommen wurde. Heute geht es dagegen oft etwas komfortabler mit einem Schlafzug zum Auswärtsspiel. Ist eine solche Fahrt nicht allzu weit, gibt es aber auch eine Art russische WET Tour. Da die Beschreibung „nicht all zu weit“ jedoch in russischen Verhältnissen gesehen werden muss, kann eine solche Tour auch mal zwanzig Umstiege beinhalten. Gefahren wird dann mit der Elektrichki, den von den Fans „Hund“ genannten Nahverkehrszügen, die ganz wie bei uns sehr preisgünstig zu nutzen sind.

Eine Schattenseite, die den russischen Fußball aktueller denn je belastet, ist der offene Rassismus. Im Gegensatz zur Bundesliga hat er in Russland eher zugenommen. Symptome, die beispielsweise in Deutschland glücklicherweise längst der Vergangenheit angehören, sind das Bewerfen dunkelhäutiger Spieler mit Bananen und immer wiederkehrende Gesänge. In der aktuellen Champions-League Saison wurde deswegen bspw. ZSKA Moskau u.a. zu einem Geisterspiel verurteilt. In St.Petersburg verabschiedeten große Teile der Fanszene ein „Manifest für den traditionellen Fußball“, in dem sie sich u.a. für die ausschließliche Verpflichtung von Spielern aus dem gleichen Kulturkreis (Hautfarbe, Religion etc.) aussprachen.

Im Gegensatz zu Rassismus und Rechtsextremismus hat die Gewalt rund um den Fußball eher abgenommen. Während die Vergangenheit davon geprägt war, dass es öfter zu ausufernden Auseinandersetzungen zwischen den Fans untereinander aber auch mit der Polizei kam, geht es heute in den Stadien etwas gesitteter zu. Verschwunden ist das Problem natürlich dennoch nicht und auch der Ausflug in Feld, Wald und Wiese erfreut sich einer gewissen Beliebtheit.

Insgesamt hat die Fanszene in den vergangenen Jahren an Struktur gewonnen, was sich auch in einer verbesserten Kommunikation mit den Behörden und der Verwaltung zeigt. Um über die Befindlichkeiten der Fanszene aber auch die Erwartungen der Politik zu sprechen, mündete dies sogar in einem Treffen zwischen Staatspräsident Putin und Fanvertretern. Ob es dem mächtigen Mann aus dem Kreml jedoch auch gelingt, den Fans die Reisestrapazen zu nehmen, ist nicht zu erwarten. Daher wird wohl auch weiterhin, je nach persönlicher Einstellung, so manch banger oder erwartungsfroher Blick von Fans der renommierten westrussischen Clubs in Richtung Osten gehen. Steigt Wladiwostock wieder auf??? Bei 14 Punkten Rückstand auf einen Relegationsplatz ist zumindest in der laufenden Saison nicht damit zu rechnen.

2017-03-28T16:30:11+00:00