Am vorletzten Mittwoch hatte Bielefeld einen besonderen Gast in der Stadt. Ein aus Kairo stammender Aktivist nahm eine Einladung des Fan-Projektes und des Block Eins e.V. an, um über sein Leben als Anhänger des größten afrikanischen Clubs, Al Ahly Kairo, zu berichten. Abdallah ist bis 2014 Mitglied der dortigen Ultrakultur gewesen. Die bis zu 40.000 meist junge Anhänger umfassende ägyptische Aktivenszene verschiedener Clubs war 2011 an den Straßenkämpfen im sogenannten Arabischen Frühling beteiligt. Die Ultraszene von Al Ahly geriet 2012, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Sturz des langjährigen Präsidenten Mubarak, bei einem Auswärtsspiel in Port Said in einen vermutlich von regimetreuen Anhängern geplanten Hinterhalt. 2000 Mitgereiste waren durch verschlossene Tore in ihrem Auswärtsblock buchstäblich gefangen und wurden von heimischen Fans, darunter sehr wahrscheinlich aber viele Sympathisanten oder gar angestiftete Schläger der Militärregierung, angegriffen. Es gab 72 Tote und rund tausend Verletzte, einige der Toten sind sogar noch unter 18 gewesen.
Zu diesen Ereignissen muss man wissen, dass es in den nordafrikanischen Staaten Anfang der 10er Jahre verstärkt Proteste gegen langjährige Machthaber gegeben hatte. In Ägypten stand mit Mubarak bis 2011 ein Präsident dem Land vor, den nicht wenige als Despoten bezeichneten. Es gab immer breitere gesellschaftliche Proteste, an denen sich auch die Ultras im ganzen Land beteiligten. Die Bilder der Massenproteste vom Tahrir-Platz in Kairo und der Sturz Mubaraks gingen um die Welt. Es gab, und nicht nur hier, wiederholt und zum Teil schwere Auseinandersetzungen, zunächst mit dem Militär und nach dem Sturz Mubaraks dann mit der sich selbst ins „Amt“ gehievten Militärregierung. Die Ultras entwickelten sich in jenen Jahren zu einer politischen Bewegung und wurden in der Folge auch „Verteidiger des Tahrir-Platzes“ genannt.
Nachdem zunächst Mursi, ein Mitglied der Muslimbruderschaft für ein Jahr die Präsidentengeschäfte führte, wurde dieser wiederum im Sommer durch das ägyptische Militär gestürzt, welches seitdem regiert, mit dem Militärgeneral as-Sisi an der Spitze. Jegliche Demokratisierungsversuche werden durch ihn und die von ihm geführten Kampfverbände mit Gewalt unterbunden, dabei spielen leider auch die Unterstützungs- und Polizeischulungsprogramme des deutschen Außenministeriums eine unrühmliche Rolle. Eine Form von“Entwicklungshilfe“, wie sie nicht sein sollte.
Unser Gast Abdallah stellte all dies Ereignisse kenntnisreich dar und stand anschließend in dem gut gefüllten Saal dem interessierten Publikum noch Rede und Antwort.